Brief an meine Freundinnen und Freunde

Brief an meine Freundinnen und Freunde

Dies ist ein Brief an meine Freundinnen und Freunde.

An alle die sich fremd fühlen.

An alle die sich nicht willkommen fühlen.

An alle die bedroht werden.

An alle die gehasst werden.


Ich weiß nicht was du jetzt denken musst.

Ich kann dir nur sagen, was ich denken muss.

Was ist das für ein Land, dass mit dieser Geschichte so wenig tut um dich zu schützen?

Was ist das für ein Land, dass Drohungen, Hass, Worte, Taten und sogar Morde nicht ernst nimmt?

Was ist das für ein Land, in dem sich wenige wieder vor vielen fürchten müssen?

Was ist das für ein Land in dem bei rechter Gewalt solange verstanden und differenziert wird, bis keine Gefahr mehr da ist... bis es wieder passiert?

Was ist das für ein Land, in dem über die Ängste und Bedürfnisse von Hassenden gesprochen wird, nicht aber mit denen die gehasst werden?

Was ist das für ein Land, dass vermutet:

Rassismus gibt es nicht mehr.

Es sind Dönermorde?

Wirklich?


Was ist das für ein Land was sich weigert zu lernen.

Aus seiner Geschichte, aus der NSU, aus den Morden, dem Hass und der Gewalt?

Was ist das für ein Land in dem jemand wie Herr Maassen den Verfassungsschutz geleitet hat? Die Instanz die uns gegen unsere Feinde verteidigen soll?

Wirklich?

Was ist das für ein Land, in dem Elite-Soldaten Anschläge auf Politikerinnen planen und es niemanden interessiert?

Was ist das für ein Land, in dem Polizisten die Daten von Anwältinnen weitergeben und diese dann Mordrohungen bekommen?

Was ist das für ein Land in dem CDU Politiker von rechtsradikalen Mördern mit einem Genickschuß getötet werden und gleichzeitig andere CDU Politiker auf Migranten schießen?

Was ist das für ein Land in dem einige von uns jeden Tag Angst haben müssen?


Das ist Deutschland.

Das ist unser Land.


Ich kann verstehen, dass du dich fremd fühlst.

Ich kann verstehen, dass du Angst hast.

Ich habe auch Angst.

Ich habe Angst vor Tobias, Thomas, Toni, Jörg, Friedrich, Felix, Michael, Werner, Phillip, Hans-Georg und Jürgen.

Ich habe Angst vor weißen Männern, auf der Straße, in der U Bahn, in Uniform, im Amt.

Ich weiß deine Angst muss viel größer sein als die meine.

Denn dich können sie als ihr Hass-Objekt erkennen, weil du anders aussiehst, ein Kopftuch trägst, oder eine Kippa, einen langen Bart hast, braune Augen, schwarze Haare, eine Frau bist oder irgendwas, was in ihre perversen Muster passt.

Mich können sie nicht sehen. Ich bin ein weißer Mann.

Ich bin unsichtbar.


Doch ich habe Hoffnung.

Ich habe die Hoffnung, dass wir anfangen zu verstehen.

Anfangen zu verstehen was Rassismus ist.

Anfangen zu verstehen was struktureller Rassismus ist.

Anfangen zu verstehen, was und wo wir etwas ändern müssen.


Lass mich nicht alleine.

Es ist einsam ohne dich.

Es ist dein Land.


Wenn du dich hier fremd fühlst, ich verstehe dich.

Wenn du dich hier einsam fühlst, ich verstehe dich.

Lass uns gemeinsam daran arbeiten, dass die sich hier fremd fühlen.

Alle die, die hassen.

Alle die, die morden.

Alle die, die Würde von Menschen verletzen mit Worten und Taten.

Lass uns die aus der Mitte unserer Gesellschaft verbannen.

Nicht dich.

Du gehörst hierher.


Du bist eine Freundin und ein Freund.

Wie erkennen einander an.

Als Menschen die gemeinsam hier leben wollen.

Die gemeinsam alt werden wollen.

Die gemeinsam eine Zukunft haben wollen.

Die hier gemeinsam Kinder großziehen wollen.


In diesem Land.

Deutschland.


Ich sehe dich.

Ich habe Angst.

Um dich und um mich.

Ich habe Angst, dass die Worte nur Mut, irgendwann eine Floskel werden.

Ich habe Angst, dass etwas normal bleibt, was grausam ist.

Ich habe Angst, dass das Böse Alltag wird.


Böse ist, was uns sprachlos zurück lässt.

Das Böse lässt uns nur noch eins sagen:

“Das hätte nie geschehen dürfen.”

Aber ich will es nicht mehr sagen müssen.

“Das hätte nie geschehen dürfen.”

Nicht noch einmal.

“Das hätte nie geschehen dürfen.”

Nie wieder.

“Das hätte nie geschehen dürfen.”


Um unsere Angst zu besiegen müssen wir mutig sein.

Mut ist zu handeln.

Mut ist sich zu entscheiden.

Mut ist nicht vor dem Hass einzuknicken.

Mut ist auf sich und andere zu achten.

Mut ist aufzustehen um anderen die Hand zu reichen.

Mut ist meine Hand zu reichen, wenn ich stark bin.

Mut ist deine Hand zu greifen, wenn ich schwach bin.

Mut ist ein Mensch zu bleiben in diesen Tagen.


Mut ist was uns verbindet.

Unser Mut ist stärker als unsere Angst.

Unser Mut ist stärker als ihre Angst.

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